Der Immobilienmarkt in Deutschland ist weiter im Aufschwung. Im Interview erläutert Branchen-Experte Dr. Thomas Beyerle seine Zukunftsprognosen und geht dabei insbesondere auf die Entwicklung der Zinsen und Renditen für Immobilien ein.

Dr. Thomas Beyerle
Dr. Thomas Beyerle ist studierter Geograph und Immobilienwirtschaftler und hat über den Finanzplatz Frankfurt promoviert. Er ist seit 1995 in der Immobilienbranche tätig, seit 2014 bei der schwedischen Catella Gruppe und hat an verschiedenen deutschen Hochschulen Lehraufträge zum Thema „Immobilien-Research und Marktanalyse“.
Im Gespräch mit ZINSLAND erläutert Beyerle seine Zukunftsprognosen für den deutschen Immobilienmarkt. Wie entwickeln sich die Zinsen in den kommenden Jahren und wo werden Anleger auf der Suche nach hoher Rendite fündig?
Die Nachfrage nach Immobilien wird in den kommenden Quartalen dramatisch zunehmen und damit geraten die Renditen weiter unter Druck.
ZINSLAND: „Die Preise steigen, so lauten zumindest die Schlagzeilen der letzten Monate. Das Angebot an Immobilien, welche sich zur Investition eignen, nimmt eher ab denn zu und die Zinsen verharren nahe der Null-Linie – welche Rolle spielen da noch Immobilien im Investment?
Beyerle: In der Tat muss man schon einen Begriff aus dem angelsächsischen verwenden, um diese Situation aktuell zu beschreiben: Ein sogenannter „Perfect Storm“ bildet sich gerade, also eine Entwicklung, welche eine seltene Konstellation beschreibt, die kurzfristig durch eine neue Dramatik eine starke Dynamik erhält.
Übersetzt heißt das, dass die positive Entwicklung an sowohl wohnwirtschaftlichen wie auch gewerblichen Immobilienmärkten der letzten vier Jahre durch die ausgebliebene Zinsentwicklung offensichtlich einen Turboeffekt zum Resultat hat – sprich die Nachfrage nach Immobilien in den kommenden Quartalen wird dramatisch zunehmen und damit geraten die Renditen weiter unter Druck.
ZINSLAND: „Dies mag für Immobilien-Standorte wie Hamburg, Berlin und Frankfurt zutreffen, doch wird sich diese Entwicklung auch in Bremen, Bonn oder Bayreuth so einstellen?
Beyerle: In der Summe ja. Klassischerweise wird diese Entwicklung ja als sogenannter „Überschwappeffekt“ bezeichnet. Wenn das Kapital für z.B. Büroimmobilien keine „vernünftige“ Verzinsung am A-Standorte erfährt, orientieren sich Investoren dann eher in B-Standorten. Das ist jedoch die sehr analytische Sichtweise, zumal sich B-Standorte in diesem Fall aktuell weniger unter der alten Maßgabe „stabile Mieten und Renditen“ positionieren lassen als durch: „Wer bekommt eine vernünftige, sprich langfristig vermietete, neuwertige Immobilien an einem Top B Standort?“
Gerade deshalb sollten die Parameter der Objekte in den benannten B-Standorten besonders geprüft werden. Noch hat kein Windhundrennen um die besten letzten Immobilien in B-Standorten stattgefunden, aber die Anzahl der qualitativ fungiblen Produkte ist dort zunehmend eingeschränkt.
Zwar ist das Renditeniveau in Großstädten noch nicht völlig ausgereizt, aber Investoren prüfen die kleineren, regionalen Märkte.
ZINSLAND: Das heißt also, Sie erwarten in den B-Standorten in Deutschland eine anziehende Nachfrage nach Objekten?
Beyerle: Definitiv. Zwar ist das untere Renditeniveau in Hamburg und Hannover noch nicht völlig ausgereizt, sodass der Schwenk nach z.B. Kiel, Regensburg oder Krefeld nicht automatisch eintritt. Aktuell lässt sich bei den ersten Transaktionen exemplarisch aber gut beobachten, wie Investoren auf die „Draghi-Doktrin“ reagieren. Sie prüfen diese regionalen Märkte und stehen vor der Frage, was Ihnen der Einstiegswert heute und der Exit-Preis in Zukunft „wert“ ist. Gerade gemischtgenutzte Objekte stellen an B-Standorten die Mehrzahl der fungiblen Produkte dar, sodass Investoren hier eher fündig werden.
ZINSLAND: Sind das denn nicht alles Signale dessen, was – zumindest auf der wohnwirtschaftlichen Seite – seit 3 Jahren als Blase bezeichnet wird?
Beyerle: Wenn man die Parameter der Jahre 2006 und 2007 anlegen würde – also Blick in den Rückspiegel – kann man in der Tat zu der Aussage kommen. Wenn man aber das Jahr 2017 und die Entwicklungen an den Finanzmärkten seitdem versucht rational zu bewerten, ist diese Frage mit einem „Nein“ zu beantworten.
Die Alternativanlage fehlt schlicht und einfach – die Zinsen verharren bis Frühjahr 2019 auf dem aktuellen Niveau. Und ganz unanalytisch formuliert, signalisiert mir mein Gespür, dass wir uns an A- und B-Standorten im Norden auf Dauer auf ein neues und niedrigeres Renditeniveau einstellen sollten.

Dr. Thomas Beyerle ist studierter Geograph und Immobilienwirtschaftler und hat über den Finanzplatz Frankfurt promoviert. Er ist seit 1995 in der Immobilienbranche tätig.